Sexualstrafrecht

Sexualstrafrecht

Sexuelle Begegnungen können sehr unterschiedlich verlaufen und von den Beteiligten – je nach sozialer Herkunft, sexueller Reife und Erfahrung – mehr oder weniger unterschiedlich erlebt werden.

Während die eine Person die Intimitäten als angenehm und positiv erlebt, fühlt sich der andere überrumpelt und sieht die Begegnung daher negativ. Dies kennzeichnet schon die Problematik bei der Würdigung, ob eine Vergewaltigung vorgelegen hat bzw. ob der später der Vergewaltigung Bezichtigte Kenntnis davon haben konnte, dass sich die andere Person „vergewaltigt“ gefühlt hat. Besonders problematisch kann dies bei der mittlerweile auch unter Strafe stehenden „Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in der Ehe“ sein.

Für den Strafverteidiger besteht gerade bei derartig komplexen psychologischen, sozialen und rechtlichen Zusammenhängen eine große Verantwortung. Er muss, wenn er die Verteidigung eines Beschuldigten übernimmt, in der Lage sein, den Vorgang möglichst detailliert zu erfassen. Hierzu gehört nicht nur die gesamte Vorgeschichte der betroffenen Personen, sondern auch der Ablauf des strittigen Geschehens selbst. Der Verteidiger muss daher dem Mandanten Fragen stellen, die normalerweise unter fremden Personen nicht erörtert werden, z.B. zur Beziehung der betroffenen Personen zueinander, zu den Problemen der Beziehung, zu sexuellen Gewohnheiten und zu den sexuellen Details des Ereignisses. Jedes erforschte Detail kann für die erfolgreiche

Verteidigung wesentlich sein und eine sexuelle Situation möglicherweise in einem Licht erscheinen lassen, welche – entgegen dem ursprünglichen Verdacht – nicht mehr als Straftat gewürdigt werden darf, oder nur noch unter Bewertung als minderschwerer Fall.

Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung gemäß § 177 StGB

Das Grunddelikt des § 177 Abs.1 StGB bedroht denjenigen mit einer Freiheitsstrafe von „1 Jahr bis zu 15 Jahren“, der eine andere Person mit Gewalt, mit Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, zur Duldung sexueller Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich oder zur Vornahme an dem Täter oder einem Dritten nötigt (in minder schweren Fällen eröffnet § 177 Abs.5 HS.1 StGB einen Rahmen von „6 Monaten bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe“). Einen Sonderrahmen von „2 bis 15 Jahren Freiheitsstrafe“ sieht § 177 Abs.2 S.1 StGB für (unbenannte) besonders schweren Fälle des Abs.1 vor. § 177 Abs.2 S.2 StGB nennt Beispiele, bei denen ein solcher schwerer Fall in der Regel anzunehmen ist:

So ist die Strafe grundsätzlich dem schärferen Rahmen zu entnehmen, wenn der Täter mit dem Opfer den – auch ehelichen – Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an wsich vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen (Nr.1), oder wenn die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird (Nr.2). Nach § 177 Abs.3 StGB ist die Qualifikation mit einem Strafrahmen „von 3 bis 15 Jahren“ gegeben, wenn der Täter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug (Nr.1) oder ein sonstiges Werkzeug in spezifischer Verwendungsabsicht (Nr.2) bei sich führt oder er das Opfer durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt (Nr.3). Nach § 177 Abs.4 StGB ist die Freiheitsstrafe „nicht unter 5 Jahren“ verwirkt, wenn der Täter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet (Nr.1) oder das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt (Nr.2 lit.a) oder es durch die Tat in die Gefahr des Todes gebracht wird (Nr.2 lit.b).

Für minder schwere Fälle beider Qualifikationen sieht § 177 Abs.5 HS.2 StGB einen einheitlichen Sonderstrafrahmen „von 1 Jahr bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe“ vor. Wegen der Erfolgsqualifikation des § 178 StGB zu „lebenslanger oder zeitiger Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren“ wird der Täter verurteilt, wenn er durch die sexuelle Nötigung wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers verursacht.

Sexueller Mißbrauch von Kindern gemäß § 176 StGB

Der Strafrahmen des Grundtatbestandes bewegt sich zwischen „6 Monaten und 10 Jahren“. Die Verwirklichung des § 176 Abs.1 StGB setzt voraus, dass der Täter eine sexuelle Handlung „an einem Kind“ oder ein Kind eine sexuelle Handlung „am Täter“ vornimmt, wobei das Geschlecht des Täters ebenso unerheblich ist wie das des Kindes. Aus dem Begriff „an“ folgt die Notwendigkeit eines unmittelbaren körperlichen Kontaktes zwischen dem Täter und dem Kind. Es sind aber nur „sexuelle Handlungen“ tatbestandsmäßig und unter diesen auch nur solche von einiger Erheblichkeit. Dass das Kind sich der sexuellen Bedeutung seines Verhaltens bewusst ist oder jedenfalls „kindhaft“ erkennt, dass es sich und seine Tätigkeit in den Dienst fremder „sexueller Betätigung“ stellt, ist nicht notwendig (BGHSt 29, 336).

  • 176 Abs.2 StGB unterfällt, wer ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einem Driten vornimmt oder von einem Dritten an sich vornehmen lässt. Auch hier bedarf es eines Körperkontaktes. Abs.2 verlangt ferner, dass der Täter das Kind zur Vorenahme oder Hinnahme der sexuellen Handlung bestimmt hat, stellt also einen Fall der Anstiftung zu einer ihrerseits nicht tatbestandsmäßigen Tat dar. Der Täter muss mithin durch eine mit welchen Mitteln auch immer vorgenommene Einwirkung auf das Kind – Gabe oder Versprechen von Geschenken, Wecken von Neugier, List, Drohung mit einem empfindlichen Übel – ursächlich geworden sein dafür, dass das Kind sich zur Vornahme der sexuellen Handlung am Körper des Dritten entschlossen oder in die Vornahme der sexuellen Handlung seitens des Dritten, an seinem, des Kindes Körper eingewilligt hat.

Emotionen in sexuellen Mißbrauchsverfahren für den Strafverteidiger

Erhält man als Strafverteidiger in der heutigen Zeit ein Mandat, welches den Verdacht eines sexuellen Missbrauchs nahelegt, ist stets zu beachten, dass sich der Verteidiger mit einer Welle von Emotionen – bewusst oder unbewusst – konfrontiert sieht. Die typische Frage lautet: „Wie kann man so jemanden – einen Kinderschänder – nur verteidigen?“. Es ist in vielen Fällen des forensischen Verfahrens notwendig, die fremden Emotionen in einem Prozess, welcher den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen zur Grundlage hat, zu erkennen und sich ihnen so ruhig und sachlich wie möglich entgegenzustellen. Größtmögliche Distanz zur Tat, zum Mandanten und zum Opfer sind hier geboten. Der Strafverteidiger muss immer wieder verdeutlichen, dass der Beschuldigte eines sexuellen Missbrauchs menschlich und prozessual nicht anders zu behandeln sein darf als jeder andere einer Straftat Verdächtige auch. Gerade in diesen Fällen ist hervorzuheben, dass Emotionen bei der Frage, ob jemand eine Straftat begangen hat oder nicht, nichts verloren haben. Es ist in diesen Fällen nicht immer eine leichte Aufgabe des Strafverteidigers, einen ruhigen, distanzierten und besonnenen Kontrapunkt zu der Flut entgegengebrachter Emotionen bilden.

Sexuelle Mißbrauchsfälle – Checkliste

(nach Oetjen, in Cramer/Cramer, Anwaltshandbuch Strafrecht, S.63f.)

Von dem Strafverteidiger müssen bei der Verteidigung in Fällen wegen des Verdachts des sexuellen Mißbrauchs folgende Punkte ausgeschlossen werden:

  • das Vorbringen von Beschuldigungen aufgrund unspezifische Beobachtungen, Befunde und Äußerungen;
  • der verbreitete Einsatz ungeeigneter und hochsuggestiver Aufdeckungstechniken;
  • die Aufdeckungsaktivitäten von weder ausreichend ausgebildeten noch dazu berufenen professionellen Helfern in Beratungsstellen, von Erziehern und Mitarbeitern in Jugendämtern;
  • die parteiliche Ausrichtung von sich in die Ermittlungstätigkeit hineindrängenden Personen und Berufsgruppen;
  • die Instrumentalisierung des Missbrauchsvorwurfs in familienrechtlichen Auseinandersetzungen;
  • unfundierte Beschuldigungen;
  • sekundäre Viktimisierung durch erinnerungsfälschende Aufdeckungstechniken und damit die Produktion von Scheinerinnerungen mit der Folge, dass die Kinder als unglaubwürdig angesehen werden müssen
  • die vorschnelle Auflösung von Familienbanden;
  • die Stigmatisierung von Kindern als missbraucht und die daraus folgende Unterlassung angemessener Hilfe bei „anderen“ Problemen.

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